Der Systemfehler der Demokratie

Die politische Vertretung will mit der politischen Macht, die sie von den BürgerInnen erhalten hat, verhindern, dass Demokratie von diesen gestaltet werden kann.

Im System eingebaut ist die Verfügungsgewalt jener über die Demokratie, die in der größten Gefahr stehen, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Dies muss behoben werden!

Das ist aus unserer Sicht der größte Fehler im System, der Systemfehler schlechthin.

Die Vorgeschichte

Im Juli 2018 verabschiedet der Landtag mit einer SVP-Fraktion, die nicht aus Überzeugung, sondern unter dem Druck der bevorstehenden Landtagswahlen dafür stimmt, das neue Direkte-Demokratie-Gesetz, wohlgemerkt ein Gesetz, das jenseits der Trennung von Mehrheit und Minderheit im Landtag aus einem Bürgerbeteili­gungsprozess hervorgegangen ist. Offenbar hat die SVP-Fraktion nicht gewusst, was sie verabschiedet hat, denn tags darauf verspricht der Landeshauptmann die im Gesetz gerade neu vorgesehene zweite Säule der Direkten Demokratie wieder beseitigen zu wollen. Auf die Anfrage um eine Aussprache wird nicht eingegangen.

Die Kehrtwende der SVP

Der SVP-Fraktionsprecher bringt tatsächlich wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Änderungsvorschlag ein, mit dem das Referendum wieder abgeschafft werden soll. Der Landeshauptmann und seine Fraktion werden von der Initiative daran erinnert, dass sie schon einmal (2014) mit einem Scheingesetz zur Direkten Demokratie an einem Referendum gescheitert sind und dass ihr Vorhaben aussichtslos und selbstschädigend ist. Nachdem der Gesetzentwurf ein Jahr lang unbehandelt zwischen Kommission und Plenum hin und her wandert, wird er letztlich Anfang 2020 unter der Regie des Landeshauptmanns vom Einbringer zurückgezogen, und es wird versprochen, nur die notwendigen technischen Verbesserungen neu vorlegen zu wollen.

Ein halbes Jahr später legt nun der Landtagspräsident höchstpersönlich einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Direkte-Demokratie-Gesetzes vor, der wieder die Abschaffung des Referendums (Art. 12 des LG 22/2018) vorsieht, zusätzlich nun aber auch noch, dass der Bürgerrat nicht auch von Bürgern einberufen werden kann. Der Landtagspräsi­dent, Josef Noggler, ist einer der drei Einbringer des Landesgesetzes 22/2018 zur Direkten Demokratie, das er jetzt verstümmeln will!

Warum jetzt?

Es bietet sich nur eine einzige Erklärung an, und die ist erschreckend. Die SVP hat diesen Herbst zweierlei Erfahrungen machen zu dürfen: 1. Die Erfahrung, dass die Kommission zur Feststellung der Zulässigkeit von beantragten Volksabstimmungen deren zwei, die Unterstützungsinitiative und die Bürgerratsinitiative, zur Verbesserung und zum Ausbau der Mitbestimmungsrechte abgewiesen hat und 2. die Erfahrung, dass die Unterschriftensammlung unter den Bedingungen der herrschenden Pandemie unmöglich erscheint. Der Einbringer und sein Auftraggeber haben keine Erklärung und Begründung für diesen Schritt vorgelegt.

Stimmen der Opposition

Was andere Vertreter des Südtiroler Landtags vom Angriff auf die Direkte Demokratie denken …

Das Referendum ist der Schlüssel um aus einer indirekten, einer von Parteien dominierten Demokratie, eine Bürgerdemokratie zu machen.

Andi Gross

Ehemaliger Abgeordneter im Schweizer Nationalrat und parlamentarischer Vertreter im Europarat. International anerkannter Kenner der Direkten Demokratie

Unterlagen

Gesetzesentwurf der SVP

Landesgesetzentwurf 69/2020, eingebracht von Josef Noggler. Siehe v.a. Art. 10 und Art. 12.

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Memorandum der IfmD

Memorandum der Initiative für mehr Demokratie an die Landtagsabgeordneten.

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