Offener Brief an die Landtagspräsidentin
Die Sonderkommissionsmitglieder und die Bürgerinnen und Bürger werden vom Vorsitzenden der Sonderkommission zum Narren gehalten
Sehr geehrte Landtagspräsidentin, Frau Dr. Veronika Stirner Brantsch,
als Bürgerinnen und Bürger, in deren Auftrag die Institutionen ihre Aufgaben erfüllen und die ein Recht darauf haben, dass dies korrekt nach demokratischen Regeln geschieht, wollen wir Sie darauf aufmerksam machen,
dass die Sonderkommission zur Behandlung der Gesetzentwürfe gemäß Art. 47 des Sonderstatutes von Trentino-Südtirol unter dem Vorsitz von Herrn Walter Baumgartner ihrer Aufgabe nicht gerecht wird.
Ihre Aufgabe wäre es nach unserem Verständnis gewesen, angesichts mehrerer vorliegen-der Gesetzentwürfe zur Materie der Direkten Demokratie einen Vorschlag zu erarbeiten, der - als ein Grundgesetz - im Plenum des Landtages einen möglichst breiten Konsens finden kann.
Von Ende März bis Anfang Oktober sind insgesamt nur 4 Sitzungen einberu-fen worden, in denen es aber, abgesehen von der Vorlage des Gutachtens des Rechtsamtes zum Volks-begehrensgesetzentwurf, nicht möglich war, am Gegenstand zu arbeiten. Anfang Oktober hat die Anhörung der das Volksbegehren unterstützenden Organisationen und der Experten stattgefunden. Mit dem klaren Ergebnis, dass Regelungen der Materie erwartet und empfohlen wurden, die die direkte Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen fördern und möglichst erleichtern sollen. Das ist protokolliert und kann jederzeit nachgelesen werden.
Obwohl der Verfall der Behandlungsfristen mit Anfang Dezember feststand, sind von Anfang Oktober bis zum 23. November keine Sitzungen einberufen worden. Bei dieser Kommissionssitzung hat dann, nach lapidarer Verlesung der Begleitberichte, der Vorsitzende, mit dem Stimmengewicht seiner Fraktion, für drei Gesetzentwürfe den Übergang von der General- zur Artikeldebatte abgelehnt. Dies, nachdem fünf von sieben Mitgliedern der Kommission gefordert hatten, die Kommission solle unter den gegebenen Bedingungen einen eigenen Gesetzentwurf ausarbeiten. Diese Möglichkeit sieht die Geschäftsordnung des Landtages vor. Zu diesem Zweck hatten Alleanza Nazionale und Union für Südtirol auch angeboten, ihre Gesetzentwürfe zurückzuziehen.
Zur Behandlung in der Kommission übrig geblieben ist somit nur der Gesetzentwurf der SVP, der sich aufgrund seiner mageren Ausstattung und weil er von den vier vorliegenden Vorschlägen die Beteiligung am stärksten begrenzt, am wenigsten als Grundlage für einen Kompromiss eignet. Noch viel weniger kann mittels Abänderungen daraus ein gutes Gesetz werden. Damit hat der Vorsitzende der Sonderkommission diese zur Farce werden lassen.
Sie war auf diese Weise von Anfang an völlig unnütz. Für uns stellt das einen Missbrauch der Institution des Landtages dar, auf den wir Sie, als dessen Präsidentin, aufmerksam machen wollen.
Unseres Erachtens gibt es jetzt nur noch einen Weg, der zu einem guten, bürgerfreundlichen Gesetz führen kann, das die Direkte Demokratie in Südtirol regelt: Die Volksabstimmung über den als Volksbegehren eingebrachten Gesetzentwurf, zusammen mit einem vom Landtag verabschiedeten Gesetz zur Direkten Demokratie. Es soll das Volk in einer Volksabstimmung darüber entscheiden, welcher von den beiden Vorschlägen zur Regelung der Direkten Demokratie rechtskräftig werden soll. Nur so ist garantiert, dass ein Gesetz nicht nur mit der üblichen Mehrheit im Landtag verabschiedet wird, sondern ein Gesetz entsteht, das von der Bevölkerung gewollt und getragen wird. Dies sollte generell der Fall sein und wird es zukünftig auch dank einer Regelung der Direkten Demokratie sein, ist aber in Bezug auf ein Grundgesetz, wie es die Festlegung der politischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger ist, grundsätzlich notwendig.
Wir bitten Sie, sich für diesen Weg im Landtag einzusetzen und den Abänderungsvorschlag zum Gesetz Nr. 10 /2002 zur Regelung des bestätigenden Referendums, der eine Abstimmung über zwei Vorlagen möglich machen soll, und den wir noch in diesem Jahr den Fraktionen des Landtages vorlegen werden, mitzutragen.