Die Initiative für mehr Demokratie hat im Vorfeld der Wahl am 10.05.2015 die KandidatInnen zum Bürgermeisteramt von Bozen und Meran gebeten, einen Fragebogen zu beantworten. Darin werden 13 Fragen gestellt, die sich auf ihre Einstellungen zur Mitbeteiligung und Mitbestimmung der BürgerInnen beziehen. Am 4. bzw. 6. Mai haben wir die Ergebnisse vorgestellt.
Eine am Gemeinwohl orientierte Gemeindepolitik ohne Information, Mitsprache, Mitbeteiligung und Mitbestimmung der BürgerInnen ist nicht möglich. Der Ort, an dem diese Rechte der BürgerInnen verankert sind, ist die Gemeindesatzung.
Demokratie beginnt in den Gemeinden. Dort ist die
Nähe zwischen den gewählten VolksvertreterInnen und ihren WählerInnen am größten und entsprechend nahe und als „die ihren“ müssten deshalb die BürgerInnen ihre Verwalter erleben. Dies ist aber bei weitem nicht der Fall. Die Distanz zwischen den beiden Seiten ist auch auf Gemeindeebene gewachsen: sinkende Wahlbeteiligung (2010 um 5% geringer als 2005) und die großen Schwierigkeiten aller Parteien bei der Kandidatensuche sind deutliche Signale.
Das extremste Beispiel eines totalen Bruches zwischen Auftrag und Selbstverständnis von gewählten VolksvertreterInnen haben wir vor vier Monaten in der Gemeinde Mals erlebt. Dort hat sich die Mehrheit des Gemeinderates geweigert, das mit großer Mehrheit in einer bindenden Volksabstimmung beschlossene Ergebnis anzuerkennen.
Im vergangenen Jahr mussten wir miterleben, wie in der Gemeinde Brixen der Bürgermeister versucht hat, mit einem offenen Missbrauch direktdemokratischer Instrumente ein in totaler Bürgerferne beschlossenes Seilbahnprojekt zu verwirklichen. Die BürgerInnen haben dieser Manipulation eine klare Abfuhr erteilt.
Heute stehen wir BürgerInnen Bozens vor der unglaublichen Tatsache, dass der Bürgermeister die Realisierung eines Kaufhausprojektes mit tiefgreifenden und unwiderruflichen Auswirkungen auf die Zukunft der Stadt anstrebt und bei der Entscheidungsfindung eine Einbeziehung der BürgerInnen kategorisch ablehnt.
Die Menschen sind nicht politikmüde, sondern sie sind der Parteienpolitik überdrüssig. Die Forderungen von immer mehr BürgerInnen nach Mitsprache, Mitbeteiligung und Mitbestimmung in den wichtigen Fragen, die ihr Gemeinwesen betreffen, werden immer deutlicher artikuliert. Das Bewusstsein, dass die BürgerInnen nicht Untertanen, sondern der Souverän in Staat, Land und Gemeinde sind, wächst.
Wir brauchen Politiker bzw. Verwalter, die anerkennen, dass eine am Gemeinwohl orientierte Gemeindepolitik ohne Information, Mitsprache, Mitbeteiligung und Mitbestimmung der BürgerInnen nicht möglich ist. Der Ort, an dem diese Rechte der BürgerInnen verankert sind, ist die Gemeindesatzung. Wir erwarten von den KandidatInnen zum Bürgermeisteramt bei den Wahlen am 10. Mai 2015, dass sie in die Gemeindesatzung gute Regeln für umfassende Rechte der Mitbeteiligung und Mitbestimmung der BürgerInnen speziell zu folgenden Punkten einführen wollen:
- Anerkennung des Prinzips: alles, was der Gemeinderat und der Gemeindeausschuss beschließen, kann auch von den BürgerInnen mittels Volksabstimmung beschlossen werden.
- Einführung des Null-Quorums
- Einführung des bestätigenden Referendums zu Gemeindebeschlüssen
- Einführung der obligatorischen Volksabstimmung für Vorhaben, die eine bestimmte finanzielle Größe überschreiten
- Einführung des Bürgerhaushaltes
- Erleichterung der Beglaubigung der gesammelten Unterschriften
- Einführung des Abstimmungsheftes
- Erleichterung der Stimmabgabe für die BürgerInnen
Ergebnisse für BOZEN (Abb. 1)
- Drei Kandidaten (Duzzi - Nuova città; Tomada - Fratelli d’Italia; Vettori - Lega Nord) haben es für nicht der Mühe wert gefunden, den Fragebogen zu beantworten.
- Weitaus am klarsten und eindeutigsten haben sich der Kandidat der Liste „5-Stelle“ (Rieder) und die Kandidatin der Listen „SEL/Grüne“ (Stefanelli) für Partizipation der BürgerInnen und für gute Instrumente der Direkten Demokratie in den Gemeinden ausgesprochen.
- Auf einem sehr viel niedrigeren und unklareren Niveau befinden sich der Kandidat der Liste „Benussi /Casa Pound“ (Benussi) sowie der Kandidat der Liste „Io sto con Bolzano“ (Gennaccaro). Bereits im negativen Bereich befindet sich der Kandidat der Liste „Bolzano nel cuore“ (Urzí).
- Am schlechtesten der sechs Kandidaten schneidet der amtierende Bürgermeister Spagnolli (Listen PD/SVP/Projekt Bozen) Er betrachtet Bürgermitsprache und Direkte Demokratie als reine Zeit- und Geldverschwendung. Folgerichtig lehnt er jede weitere Verbesserung des Gemeindestatutes ab.
- Auf ihre eigene Initiative hin haben uns die Liste „SVP“ und die Liste „Projekt Bozen“ ihre eigene Beantwortung des Fragebogens zugesandt. Dabei liegen die Resultate von „Projekt Bozen“ mit 20 Punkten im Bereich A (mit Stefanelli und Rieder) und unterscheiden sich somit grundlegend von dem ihres Bürgermeisterkandidaten Spagnolli. Jene der SVP mit -1 Punkten fallen in den Bereich B mit (Benussi, Gennaccaro, Urzí).
Ergebnisse für MERAN (Abb. 2)
- Die Fragebogen wurden von 9 der insgesamt 12 wahlwerbenden BM-Kandidaten zurückgesandt, während es die drei Parteien „Alleanza per Merano“ mit dem BM-Kandidaten Zaccaria, die „Lega Nord“ mit Rita Mattei und „Italia dei Valori“ mit Marcello Caramella es nicht der Mühe wert fanden, die Fragen zu beantworten.
- Die fünf im grünen Bereich liegenden Listen wie die Grüne Bürgerliste mit BM-Kandidat Paul Rösch, der Movimento 5 Stelle mit Francesca Schir und die Sinistra Ecosocial-Ökosoziale Linke mit Dario Boninsegna erklären sich deutlich mehr für eine Verbesserung der Bürgermitbestimmungsrechte als die Südtiroler Freiheit mit Sepp Mitterhofer und die Südtiroler Volkspartei mit Gerhard Gruber.
- Schlecht, im roten Bereich, in diesem Sinne schneiden neben dem „Partito Democratico“ mit BM-Kandidat Diego Zanella, die „Lista Civica per Merano“ mit Giorgio Balzarini auch die BürgerUnion mit Sigmar Stocker und vor allem „L’Alto Adige nel cuore“ mit Maria Cristina Cappello ab.
PDF-Datei mit den Fragen: hier klicken.