Wahlrechtsreform: Die Spielregeln der repräsentativen Demokratie aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger
Endlich listenübergreifendes Wählen, freie Kandidatennominierung (Vorwahlen) und Privilegienreduzierung, personelle Trennung von Landtag und Landesregierung sind notwendige Bedingungen für Demokratisierung und Versachlichung der Politik!
In einer Demokratie darf kein Wahlrecht zustande kommen, das nicht den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger entspricht.
Doch: Was wissen diese von möglichen Regelungen des Wahlrechtes? Gemeinhin nur das, worüber öffentlich gesprochen wird. Und da außer den politischen Vertretern niemand öffentlich darüber spricht, kennen Bürger eigentlich nur Regelungen, die im Interesse der Regierenden liegen und gegen die sich die Opposition normalerweise zur Wehr setzt: die Hürden zur Erringung eines Mandates. Von Regelungen, die im ureigensten Interesse der Bürger selbst liegen, ist bisher nicht die Rede gewesen. Solche zielen darauf ab, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Einfluss zu geben auf die Auswahl der politischen Vertretung. Der Vorstand der Initiative für mehr Demokratie unterstreicht somit die Notwendigkeit, die Wahlrechtsreform so zu nutzen, dass in erster Linie den Bürgerinnen und Bürgern in allen Phasen der repräsentativen Ausübung der Volkssouveränität eine möglichst freie Wahlmöglichkeit gegeben wird: bei der Kandidatennominierung, im Wahlgang selbst und letztlich in der Phase der Mandatsausübung. Das bedeutet im einzelnen:
- Vorwahlen
Sie sollen allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich direkt an der Kandidatenaufstellung zu beteiligen. Eine solche Möglichkeit gibt es schon in anderen Regionen Italiens und ist im Hinblick auf die letzten Parlamentswahlen vom Mitte-Links-Bündnis erfolgreich praktiziert worden.
- listenübergreifende Kandidatenwahl
Der/die Wähler/in soll KandidatenInnen verschiedener wahlwerbenden Listen seine Vorzugsstimmen geben können. Auf diese Weise weiß die/der Gewählte sich zuerst den WählerInnen und nicht der eigenen Partei verpflichtet. Diese Form der Wahl wird u. a. schon lange in Deutschland praktiziert und dort auch immer weiter ausgebaut.
- freie Mandatsausübung
Im Wahlgesetz muss das in der Verfassung verankerte Recht auf freie Mandatsausübung, gegen die stillschweigende Praxis des Fraktionszwanges, noch einmal ganz klar festgeschrieben sein. Die Gewählten sollen nicht gezwungen werden können sich Parteizwängen und Lobbyinteressen zu unterwerfen und gegen ihr Wissen und Gewissen zu handeln. Jeder Gewählte soll jährlich seine Tätigkeit in einem eigenen Bericht offen legen.
- Gewaltenteilung
Eine nur fakultative personelle Trennung von Landtag und Landesregierung, wie sie der Vorschlag von Walter Baumgartner vorsieht, kann in keiner Weise genügen. Die Anwendung des Prinzips der Gewaltenteilung ist in Südtirol überfällig. Der Landtag hat bis heute eigentlich nur rein formal gesetzgeberische Funktion und seine Aufgabe ist bislang letztlich das Absegnen von Vorlagen der Landesregierung. Der eigentliche Gesetzgeber in Südtirol ist die Landesregierung, auf die alle bisher erlassenen Gesetze zurückgehen.
- Leitung der Exekutive
Das bestehende Wahlsystem mit den Vorzugsstimmen ermöglich völlig ausreichend festzustellen, welches die diesbezüglichen Präferenzen der WählerInnen sind. Die Leitung der Exekutive soll wesentlich vom Vertrauen der Legislative abhängig sein.
- Keine Mehrkosten für die Steuerzahler
Eine wichtige Rolle für eine zufriedenstellende Auswahl und das Funktionieren der politischen Vertretung spielen die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen. Mehrkosten, die automatisch mit der personellen Trennung von Landtag und Landesregierung verbunden wären, müsste mit einer Kürzung der Gehälter begegnet werden. Damit und mit dem Abbau weiterer Privilegien der Abgeordneten, wäre eine Aufwertung des Landtages verbunden. Nicht Geld, Macht und Prestige sollen Anziehungskraft auf mögliche Kandidaten zu Landtagswahlen ausüben, sondern die Möglichkeit, für die Gesellschaft wertvolle Ziele zu verfolgen. Wahlkampfkosten sollen sowohl von den Parteien, als auch von den Kandidaten offengelegt werden müssen und sollen eine Höchstgrenze, die vom Landtag festzulegen ist, nicht überschreiten, damit für alle gleiche Bedingungen gelten.
Mit diesen Reformelementen wäre eine freiere Wahl und vor allem auch eine stärkere Verpflichtung der Gewählten den Wählerinnen und Wählern gegenüber verbunden.
Stephan Lausch Otto von Aufschnaiter, Dipl.Ing.FH
(Koordinator der Initiative) für den Vorstand der Initiative für mehr Demokratie