Die Initiative für mehr Demokratie hat sich in ihrer Sommerklausur u.a. auch mit den jetzt bekannt gewordenen Eckdaten zu einem neuen Gesetzentwurf der SVP-Fraktion im Landtag zur Direkten Demokratie befasst.
Die Initiative begrüßt, dass jetzt eine vollständige Neuregelung angestrebt und dass damit die Unbrauchbarkeit der geltenden Regelung anerkannt wird.
Allerdings orientiert sich der neue Gesetzentwurf der SVP am bundesdeutschen Modell und übernimmt damit ein umständliches und, am weltweit geltenden Standard der direktdemokratischen Rechte gemessen, ein unvollständiges Instrumentarium mit viel zu hohen Hürden.
Die Initiative für mehr Demokratie hat im vergangenen Oktober den Südtiroler Bürgerinnen und Bürgern eine ganz neue gesetzliche Regelung zur Abstimmung vorgelegt. In diesen Vorschlag sind die jeweils überzeugendsten Elemente, die sich in verschiedenen Ländern bewährt haben, eingeflossen. Der Gesetzestext der Initiative wurde im Oktober 2008 beim IRI-Weltkongress wegen seiner Vollständigkeit dem Forschungszentrum für Direkte Demokratie in Aarau C2D als Mustertext und als Grundlage für lokal angepasste Regelungen empfohlen und wird dafür bereits verwendet. Er ist, wie die Autonomie unseres Landes, eine aus lokalem Bedarf entwickelte und auf die politische Realität in Südtirol zugeschnittene Regelung, die weltweit Beispielcharakter erhalten hat. Das hat auch die Volksabstimmung vom Oktober 2009 bestätigt, in der 83% der Abstimmenden (114.000 Bürger) dem Vorschlag der Initiative zugestimmt haben. Der Gesetzentwurf ist nur deshalb nicht rechtskräftig geworden, weil 7.000 Stimmen (38,2%) zur Erreichung des 40%-Quorums gefehlt haben. Die Stimmbeteiligung war im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. In Bayern ist beispielweise die Regelung zum Nichtraucherschutz mit einer Beteiligung von 37% rechtskräftig geworden und direkte Demokratie in den bayerischen Kommunen ist 1995 per Volksentscheid von 33% der Stimmberechtigten eingeführt worden.
Für die Initiative für mehr Demokratie ist es deshalb unverständlich, warum, nach der ganzen Vorarbeit und nach dem eindeutigen Volksentscheid, ein gänzlich anderes System angepeilt wird, welches sich eine Realität zum Vorbild nimmt, in der Direkte Demokratie keine Tradition und auch kaum eine politische Bedeutung hat. Sie erinnert daran, dass die bayerische Regelung, die bis vor kurzem als die fortschrittlichste in Deutschland gegolten hat, so wenig bürgerfreundlich ist, dass sie seit 1947 erst sechs Mal zur Anwendung gekommen ist.
Dem mehrheitlichen Willen der Südtiroler Bevölkerung würde sicher am besten entsprochen, wenn der Vorschlag der Initiative für mehr Demokratie als Grundlage für ein neues Gesetz verwendet und wenn gemeinsam mit der Initiative und allen politischen Kräften auf dem Kompromissweg daran gefeilt und beispielsweise den Sprachminderheiten mit der von der Initiative nachgereichten eigenen Schutzklausel Rechnung getragen würde.
Stephan Lausch
Koordinator der Initiative für mehr Demokratie