Um was geht es?

Landtagspräsident J. Noggler hat im November 2020 einen Gesetzentwurf (Nr. 96/2020) im Landtag eingebracht, mit dem technische Mängel im Landesgesetz ZUR DIREKTEN DEMOKRATIE UND PARTIZIPATION (Nr. 22/2018) behoben werden sollen. Hinter diesem Deckmantel versteckt sich aber auch die Streichung von Art. 12 dieses Gesetzes, mit dem erstmals das direkte Kontrollrecht der BürgerInnen über die Landesgesetzgebung eingeführt und mit dieser Form des Referendums nun auch in Südtirol die zwei Pfeiler der Direkten Demokratie gelten, die Volksinitiative und das Referendum. Nicht nur das: Mit dem Gesetzentwurf 22/2018 ist – wenn auch in kaum brauchbarer Form - der ausgeloste Bürgerrat eingeführt worden, der auch von 300 BürgerInnen zur Behandlung wichtiger Themen einberufen werden kann. Mit der von J. Noggler vorgelegten Gesetzesänderung soll dieser Bürgerrat nur noch vom Landtag einberufen werden können.

 Die Vorgeschichte

  • Im Juli 2018 verabschiedet der Landtag mit einer SVP-Fraktion, die nicht aus Überzeugung, sondern unter dem Druck der bevorstehenden Landtagswahlen dafür stimmt, das neue Direkte-Demokratie-Gesetz, wohlgemerkt ein Gesetz, das jenseits der Trennung von Mehrheit und Minderheit im Landtag aus einem Bürgerbeteili­gungsprozess hervorgegangen ist.

  • Offenbar hat die SVP-Fraktion nicht gewusst, was sie verabschiedet hat, denn tags darauf verspricht der Landeshauptmann die im Gesetz gerade neu vorgesehene zweite Säule der Direkten Demokratie wieder beseitigen zu wollen. Auf die Anfrage um eine Aussprache wird nicht eingegangen.

  • Der SVP-Fraktionsprecher bringt tatsächlich wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Änderungsvorschlag ein, mit dem das Referendum wieder abgeschafft werden soll.

  • Der Landeshauptmann und seine Fraktion werden von der Initiative daran erinnert, dass sie schon einmal (2014) mit einem Scheingesetz zur Direkten Demokratie am Referendum (gemäß LG 11/2002 und in Anwendung des Autonomiestatutes Art. 47) gescheitert sind und dass ihr Vorhaben aussichtslos und selbstschädigend ist.

  • Nachdem der Gesetzentwurf ein Jahr lang unbehandelt zwischen Kommission und Plenum hin und her wandert, wird er letztlich Anfang 2020 unter der Regie des Landeshauptmanns vom Einbringer zurückgezogen, und es wird versprochen, nur die notwendigen technischen Verbesserungen neu vorlegen zu wollen.

  • Ein halbes Jahr später legt nun der Landtagspräsident höchstpersönlich einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Direkte-Demokratie-Gesetzes vor, der wieder die Abschaffung des Referendums (Art. 12 des LG 22/2018) vorsieht, zusätzlich nun aber auch noch, dass der Bürgerrat nicht auch von Bürgern einberufen werden kann. Der Landtagspräsi­dent, Josef Noggler, ist einer der drei Einbringer des Landesgesetzes 22/2018 zur Direkten Demokratie, das er jetzt verstümmeln will!

  • Das alles, ohne dass das Direkte-Demokratie-Gesetz auch nur ein einziges Mal angewandt worden ist. Und vorgelegt wird nicht eine andere Regelung des Referendums, sondern seine ersatzlose Streichung.

  • Weshalb diese Kehrtwende, nachdem sich letztlich die Einsicht in die Vergeblichkeit des Vorhabens durchgesetzt hat?

Warum jetzt, ist die Frage

Es bietet sich nur eine einzige Erklärung an, und die ist erschreckend.

Die SVP hat diesen Herbst zweierlei Erfahrungen machen dürfen:
  1. Die Erfahrung, dass die Kommission zur Feststellung der Zulässigkeit von beantragten Volksabstimmungen deren zwei, die Unterstützungsinitiative und die Bürgerratsinitiative, zur Verbesserung und zum Ausbau der Mitbestimmungsrechte abgewiesen hat und
  2. die Erfahrung, dass die Unterschriftensammlung unter den Bedingungen der herrschenden Pandemie unmöglich erscheint.

Der Einbringer und sein Auftraggeber haben keine Erklärung und Begründung für diesen Schritt vorgelegt. Auf die Schelte in der Haushaltsdebatte im Landtag zu diesem Vorgehen, blieb jede Reaktion aus. Man würde meinen, dass dann, wenn es eine gute Erklärung und Begründung für ein Handeln gibt, das kritisiert wird, diese entgegengehalten werden. Werden keine genannt, dann wird es trotzdem Gründe geben, aber dann sind es solche, die eben besser nicht ausgesprochen werden. So unglaublich es auch erscheinen mag, aber diese Erfahrungen, die die SVP gemeint hat machen zu dürfen, waren wohl der Anlass für diese Kehrtwende. Die beiden für sie vorteilhaften Bedingungen sind im Oktober/November deutlich geworden, Ende November ist der Gesetzentwurf zur Abänderung des Direkte-Demokratie-Gesetzes vom Landtagspräsidenten eingebracht worden: „Jetzt geht es, jetzt können sie sich nicht wehren.“ Nicht nur, dass man nicht imstande ist einzusehen, dass die Zusammenarbeit aller, die aller Parteien miteinander und mit der Zivilgesellschaft angesichts der dramatischen Entwicklungen eine absolute Notwendigkeit ist, nein, man versucht diese zu nutzen, um ohne direkte Kontrolle durch die Zivilgesellschaft schalten und walten zu können.

Man kann als politischer Mandatar für oder gegen direktdemokratische Instrumente sein. Die gesetzlich geltenden sind aber, unabhängig davon, als erworbene Rechte in ihrer Anwendung zu garantieren. Natürlich können auch Initiativen ergriffen werden, in einem offenen und transparenten Verfahren diese zu beschneiden oder abzuschaffen. Dies aber nach den gesetzlich festgelegten Regeln. Erschwerte Bedingungen nutzen wollen, unter denen Bürgerinnen und Bürgern diese Regeln zum Schutz ihrer Rechte anwenden müssen, ist ein niederträchtiges Unterfangen, weil es den Mehrheitswillen der Bevölkerung befürchtet und verhindern will, dass dieser zum Ausdruck kommt.

Der Gesetzentwurf 69/2020 und die ominösen Gesetzespassagen

Landesgesetzentwurf 69/2020, eingebracht von Josef Noggler – Ursprungstext (http://www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_620428.pdf)

Siehe Art. 10 Abwicklung des bestätigenden Referendums über Landesgesetze 1. Artikel 12 des Landesgesetzes vom 3. Dezember 2018, Nr. 22, in geltender Fassung, ist aufgehoben.

Siehe Art. 17 “Art. 17 Bürgerrat 1. Das Büro für politische Bildung und Beteiligung setzt auf einstimmigen Beschluss des Landtagspräsidiums zu einem konkreten gemeinwohlrelevanten Thema einen befristeten Bürgerrat ein.

Begleitbericht: https://www.dirdemdi.org/images/de/pdf/Memorandum_Referendum042019.pdf

 

Was hat es mit dem Referendum auf sich

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